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Erstellt von Julian am 13. Dezember 2017, um 09:59 Uhr

Aus Tiroler Dialektarchiv

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{{Bedeutung
 
|Bedeutung=Dunst bei Schönwetter
 
|Kartentitel=Wenn der Himmel trüb wird
 
|Kartentext=Jeder kennt diese Art von Wetter. Eigentlich ist es schön, doch die Sicht ist schlecht. Es ist trüb, dunstig und feine Wolken ziehen über den Himmel. Diese Art von Wetter im Standarddeutschen zu umschreiben, ist nicht einfach. In Tirol funktioniert das besser, da hier die Tiroler Dialekte zahlreiche Begriffe zur Verfügung stellen, die genau dieses Wetterphänomen bezeichnen. Auch hier variieren die Bedeutungen der verwendeten Begriffe mitunter aber stark.
 
Das Geheie und die trockene Hitze
 
  
Falls so mancher die von ihm verwendete Wortform hier nicht erkennen kann, so liegt dies daran, dass die in der Überschrift genannte Wortgestalt gewissermaßen eine Standardisierung darstellt, die alle vom selben Wort abstammenden Formen zusammenfasst. Das genannte Phänomen nennt man etwa im Großteil Tirols Kchåi. Im Paznaun, im Stanzertal sowie im Tiroler Mittelland spricht man dagegen von Kchai – das a ist hier nicht verdumpft. Die angesetzte Standardform – die zugegebenermaßen von all diesen Bezeichnungen recht stark abweicht – ergibt sich dadurch, dass das Ursprungswort althochdeutsch gihei und mittelhochdeutsch gehei, geheie lautete. Diese Bildung ist dabei ein Kollektivum zu einem Eigenschaftswort hei, das ursprünglich ‚trocken, dürr‘ bedeutete. Als Hauptwort bedeutet Geheie nunmehr ‚heißes Sommerwetter, Dürre, Dampf‘. Wie es also zu den vielen Bedeutungen in den Tiroler Mundarten – u.a. ‚Höhennebel, Dampf, Dunst, Rauch‘ – kam, scheint verständlich, vor allem wenn man bedenkt, dass dialektal auch die Variante Kchåidampf vorkommt. Auch Begriffe wie Håålraach – etwa in Osttirol – und Hoolnebel – so belegt im Stanzertal und im Paznaun – dürften das ursprüngliche Eigenschaftswort hei in abgewandelter Form als Erstglied beinhalten, wobei die genauen lautlichen Veränderungen unklar sind. Dies betrifft nicht zuletzt auch den lautlichen Weg von Geheie zu Kchåi bzw. Kchai, da hier eigentlich *Kchåa zu erwarten wäre.[1]
 
 
So verlockend dies lautlich und auch von der Bedeutung her wäre: Ein Zusammenhang mit Heu lässt sich nicht herstellen. Dieses steht nämlich ursprünglich mit hauen in Verbindung, gemeint war also das ‚gehauene Gras‘.
 
Wenn der Dunst über Tirol liegt
 
 
Vor allem im Oberinntal und dessen Seitentälern sowie im Wipptal und dessen Seitentälern bezeichnet man die eingangs geschilderte Wetterlage als dinstig. Hier her zu stellen ist auch die Variante dunstig, die vor allem in Osttirol, im Außerfern und vereinzelt im Unterland sowie im Zillertal vorkommt. Beide Formen sind Ableitungen zum Hauptwort Dunst, das bereits im Mittelhochdeutschen so lautete. Auch die Bedeutung hat sich nicht wirklich verändert, wobei früher wohl ein Zusammenhang mit der Bedeutung ‚Staub‘ bestanden hat.[2]
 
Von Tiroler Seemännern und Nordseewetter
 
 
Mehrere Nennungen entfallen zudem auf den Begriff diesig, dies vor allem in Osttirol und im Unterland. Dass es dieser Begriff nach Tirol geschafft hat, ist einigermaßen erstaunlich. Es handelt sich um einen Begriff aus der niederdeutschen Seemannssprache, so lautet er etwa im Niederdeutschen disig und im Niederländischen dialektal dijzig. Die Hauptwörter, von denen diese Eigenschaftswörter abgeleitet sind, bedeuten ebenfalls ‚Dunst, Nebelwetter‘, womit die Bedeutung klar den bisher besprochenen Begriffen entspricht.[3]
 
Keine Kühle in der Schwüle
 
 
Dieser Begriff ist vor allem um Imst und in Einzelnennungen – z.B. bei Landeck – verbreitet. Der Ausgang dürfte wohl in althochdeutsch erswelan ‚warm werden‘ liegen. Wieder liegt also ein Begriff mit der ursprünglichen Bedeutung ‚heiß‘ vor. Die Zusammenhänge mit Dampf und Dunst scheinen offenbar nahe gelegen zu sein.[4]
 
Auch das Wetter kann zäh sein
 
 
Gerade einmal zwei Nennungen – in Fieberbrunn und in Aschau im Zillertal – weist dieser Begriff auf. Es geht auf zäh zurück, das im ganzen oberdeutschen Sprachgebiet auch als zach verbreitet ist. Bereits im Mittelhochdeutschen existieren zâch und zæhe nebeneinander. Während die erstgenannte Form sich nur dialektal halten konnte, wurde die zweitgenannte zum Standard erhoben. Obwohl zach bereits ein Eigenschaftswort ist, wurde zur Verdeutlichung bzw. zur Unterscheidung von zach die Endung -ig angefügt. So wie verschiedene Dinge – etwa Flüssigkeiten, Fleisch aber auch Menschen (dann als Eigenschaft) – zäh sein können, so wurde dies offensichtlich auch für das zu beschreibende Wetterphänomen gesehen und damit wohl die dunstige, heiße Luft und die feinen Wolken am Himmel als zäh wahrgenommen.
 
 
==='''Wenn der Himmel rußig wird'''===
 
Vor allem im Pitztal und um Imst wird die Bezeichnung Raam in den Forman råmlig und veråmelt verwendet. Hier kann ein Zusammenhang mit dem Dialektwort Råm für ‚Ruß, Schmutz, Dreck‘ hergestellt werden. Dieses geht auf althochdeutsch rām, mittelhochdeutsch râm, rân zurück und lässt sich außergermanisch auch mit Wörtern vergleichen, die ‚dunkel‘ oder ‚grau‘ bedeuten. Der Zusammenhang von ‚Dreck‘ mit ‚trübem Wetter‘ scheint dabei naheliegend und eine derartige Entwicklung sehr wahrscheinlich, kommt der Begriff schließlich auch in den Bedeutungen ‚Dunstschleier, neblig, längliche am Himmel hinziehende Wolke‘ vor. Möglich scheint zudem ein Zusammenhang mit standarddeutsch Rahm, in dem Fall in der Bedeutung ‚milchig‘.[5]
 
Auch Dunst kann schaumig sein
 
 
Der Begriff Gfaam wird bereits in der Nebelkarte erklärt. Er wurde für das zu bezeichnende Wetterphänomen ebenfalls mehrfach genannt. Dies vor allem im Paznaun, aber auch in Reith bei Seefeld.[6]
 
 
==='''''Gehilwe'' – ein Wolkengebilde'''===
 
Ein Begriff, der hauptsächlich im südlichen Osttirol sowie vereinzelt im Unterland verbreitet ist, lautet in verschiedenen Aussprachevarianten Kchilwe, Kchuim und Kchüüb. Bei den letzten beiden Varianten trat dabei die für das Unterland so typische l-Vokalisierung ein. Die mittelhochdeutsche Ausgangsform, auf die sich die genannten Aussprachevarianten zurückführen lassen, lautet Gehilwe und bedeutete ursprünglich ‚Gewölk‘. Dabei handelt es sich um eine Kollektivbildung zu mittelhochdeutsch hilwe, was ‚feiner Nebel‘ bedeutete. Die heutige Bedeutung in den Mundarten reflektiert dabei beide Ursprungsbedeutungen noch sehr gut.[7]
 
 
<small>Karte/Kartentext: Julian Blassnigg </small>
 
 
<small>'''Literatur'''</small>
 
|Schaufenster=Nein
 
|DWB, Bd_ 10, Sp_ 793</ref>
 
 
So verlockend dies lautlich und auch von der Bedeutung her wäre: Ein Zusammenhang mit ''Heu'' lässt sich nicht herstellen_ Dieses steht nämlich ursprünglich mit ''hauen'' in Verbindung, gemeint war also das ‚gehauene Gras‘_==='''Wenn der Dunst über Tirol liegt'''===
 
Vor allem im Oberinntal und dessen Seitentälern sowie im Wipptal und dessen Seitentälern bezeichnet man die eingangs geschilderte Wetterlage als ''dinstig''. Hier her zu stellen ist auch die Variante ''dunstig'', die vor allem in Osttirol, im Außerfern und vereinzelt im Unterland sowie im Zillertal vorkommt. Beide Formen sind Ableitungen zum Hauptwort ''Dunst'', das bereits im Mittelhochdeutschen so lautete. Auch die Bedeutung hat sich nicht wirklich verändert, wobei früher wohl ein Zusammenhang mit der Bedeutung ‚Staub‘ bestanden hat.<ref>Kluge, S. 221–222
 
|Lexer, Bd_ 1, Sp_ 477</ref>==='''Von Tiroler Seemännern und Nordseewetter'''===
 
Mehrere Nennungen entfallen zudem auf den Begriff ''diesig'', dies vor allem in Osttirol und im Unterland. Dass es dieser Begriff nach Tirol geschafft hat, ist einigermaßen erstaunlich. Es handelt sich um einen Begriff aus der niederdeutschen Seemannssprache, so lautet er etwa im Niederdeutschen ''disig'' und im Niederländischen dialektal ''dijzig''. Die Hauptwörter, von denen diese Eigenschaftswörter abgeleitet sind, bedeuten ebenfalls ‚Dunst, Nebelwetter‘, womit die Bedeutung klar den bisher besprochenen Begriffen entspricht.<ref>Kluge, S. 200</ref>
 
 
==='''Keine Kühle in der Schwüle'''===
 
Dieser Begriff ist vor allem um Imst und in Einzelnennungen – z.B. bei Landeck – verbreitet. Der Ausgang dürfte wohl in althochdeutsch ''erswelan'' ‚warm werden‘ liegen. Wieder liegt also ein Begriff mit der ursprünglichen Bedeutung ‚heiß‘ vor. Die Zusammenhänge mit Dampf und ''Dunst'' scheinen offenbar nahe gelegen zu sein.<ref>Kluge, S. 836
 
|DWB, Bd_ 15, Sp_ 2748</ref>==='''Auch das Wetter kann ''zäh'' sein'''===
 
Gerade einmal zwei Nennungen – in Fieberbrunn und in Aschau im Zillertal – weist dieser Begriff auf. Es geht auf ''zäh'' zurück, das im ganzen oberdeutschen Sprachgebiet auch als ''zach'' verbreitet ist. Bereits im Mittelhochdeutschen existieren ''zâch'' und ''zæhe'' nebeneinander. Während die erstgenannte Form sich nur dialektal halten konnte, wurde die zweitgenannte zum Standard erhoben. Obwohl ''zach'' bereits ein Eigenschaftswort ist, wurde zur Verdeutlichung bzw. zur Unterscheidung von ''zach'' die Endung ''-ig'' angefügt. So wie verschiedene Dinge – etwa Flüssigkeiten, Fleisch aber auch Menschen (dann als Eigenschaft) – ''zäh'' sein können, so wurde dies offensichtlich auch für das zu beschreibende Wetterphänomen gesehen und damit wohl die dunstige, heiße Luft und die feinen Wolken am Himmel als ''zäh'' wahrgenommen.<ref>[yyyy]</ref>
 
 
==='''Wenn der Himmel ''rußig'' wird'''===
 
Vor allem im Pitztal und um Imst wird die Bezeichnung Raam in den Forman ''råmlig'' und ''veråmelt'' verwendet. Hier kann ein Zusammenhang mit dem Dialektwort ''Råm'' für ‚Ruß, Schmutz, Dreck‘ hergestellt werden. Dieses geht auf althochdeutsch ''rām'', mittelhochdeutsch ''râm'', ''rân'' zurück und lässt sich außergermanisch auch mit Wörtern vergleichen, die ‚dunkel‘ oder ‚grau‘ bedeuten. Der Zusammenhang von ‚Dreck‘ mit ‚trübem Wetter‘ scheint dabei naheliegend und eine derartige Entwicklung sehr wahrscheinlich, kommt der Begriff schließlich auch in den Bedeutungen ‚Dunstschleier, neblig, längliche am Himmel hinziehende Wolke‘ vor. Möglich scheint zudem ein Zusammenhang mit standarddeutsch Rahm, in dem Fall in der Bedeutung ‚milchig‘.<ref>Kluge, S. 1002
 
|DWB, Bd_ 31, Sp_ 9</ref>==='''Auch Dunst kann ''schaumig'' sein'''===
 
Der Begriff ''Gfaam'' wird bereits in der Nebelkarte erklärt. Er wurde für das zu bezeichnende Wetterphänomen ebenfalls mehrfach genannt. Dies vor allem im Paznaun, aber auch in Reith bei Seefeld.<ref>Kluge, S. 741
 
|Schöpf, S_ 530–531</ref>==='''''Gehilwe'' – ein Wolkengebilde'''===
 
Ein Begriff, der hauptsächlich im südlichen Osttirol sowie vereinzelt im Unterland verbreitet ist, lautet in verschiedenen Aussprachevarianten ''Kchilwe'', ''Kchuim'' und ''Kchüüb''. Bei den letzten beiden Varianten trat dabei die für das Unterland so typische l-Vokalisierung ein. Die mittelhochdeutsche Ausgangsform, auf die sich die genannten Aussprachevarianten zurückführen lassen, lautet ''Gehilwe'' und bedeutete ursprünglich ‚Gewölk‘. Dabei handelt es sich um eine Kollektivbildung zu mittelhochdeutsch ''hilwe'', was ‚feiner Nebel‘ bedeutete. Die heutige Bedeutung in den Mundarten reflektiert dabei beide Ursprungsbedeutungen noch sehr gut.<ref>Lexer, Bd. 1, Sp. 1244 und Bd. 1, Sp. 790</ref>
 
 
<small>'''Karte/Kartentext: Julian Blassnigg'''</small>
 
 
<small>'''Literatur:'''</small>
 
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Aktuelle Version vom 27. Juni 2018, 11:27 Uhr

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