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Erstellt von Julia am 2. Januar 2017, um 12:01 Uhr

Aus Tiroler Dialektarchiv

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==='''(Fast) eintöniger Beginn, vielfältiges Ende'''===
 
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Dass es nicht immer ganz ausgefallen sein muss, zeigt sich rund um Innsbruck, Lienz und Kitzbühel. Dort gibt es Ansammlungen von ''Hagebutten''. Im Mittelhochdeutschen stand ''butte'' bereits für die Hagebutte selbst, erst ab dem 15. Jahrhundert wurde zur Verdeutlichung ''hage-'' vorangestellt. Das mittelhochdeutsche ''hac'' ‚Dorngesträuch, Hecke, Umzäunung‘ betont damit den Umstand, dass es sich um die Frucht der in Hecken wachsenden Wildrose handelt.<ref>[Kluge, S. 383 | Pfeifer, S. 493–494]</ref>
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Dass es nicht immer ganz ausgefallen sein muss, zeigt sich rund um Innsbruck, Lienz und Kitzbühel. Dort gibt es Ansammlungen von ''Hagebutten''. Im Mittelhochdeutschen stand ''butte'' bereits für die Hagebutte selbst, erst ab dem 15. Jahrhundert wurde zur Verdeutlichung ''hage-'' vorangestellt. Das mittelhochdeutsche ''hac'' ‚Dorngesträuch, Hecke, Umzäunung‘ betont damit den Umstand, dass es sich um die Frucht der in Hecken wachsenden Wildrose handelt.<ref>[*Kluge, S. 383 | Pfeifer, S. 493–494]</ref>
 
   
 
   
Zwischen den dornenbesetzten Zweigen hängen im Tannheimer Tal, um Reutte und im Wipp- und Stubaital sowie in Navis die ''Hagebutzen''. Mit dem zweiten Wortteil ''-butz'' wurde wahrscheinlich ursprünglich die Knospe bezeichnet. Auch der unterste Teil des Apfels, der von der Blüte als vertrockneter Rest übriggeblieben ist, war mancherorts damit gemeint. Auch der unterste Teil einer Hagebutte sieht ähnlich aus. ''Hagebutzen'' und ''Hagebutten'' koexistieren bis heute in Tirol, in der Standardsprache hat sich aber ''Hagebutten'' durchgesetzt.<ref>[Kluge, S. 164 | DWB, Bd. 2, Sp. 591]</ref>
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Zwischen den dornenbesetzten Zweigen hängen im Tannheimer Tal, um Reutte und im Wipp- und Stubaital sowie in Navis die ''Hagebutzen''. Mit dem zweiten Wortteil ''-butz'' wurde wahrscheinlich ursprünglich die Knospe bezeichnet. Auch der unterste Teil des Apfels, der von der Blüte als vertrockneter Rest übriggeblieben ist, war mancherorts damit gemeint. Auch der unterste Teil einer Hagebutte sieht ähnlich aus. ''Hagebutzen'' und ''Hagebutten'' koexistieren bis heute in Tirol, in der Standardsprache hat sich aber ''Hagebutten'' durchgesetzt.<ref>[*Kluge, S. 164 | DWB, Bd. 2, Sp. 591]</ref>
  
 
Bei ''Hagelbutzen'', wie sie im unteren Oberinntal vorkommen, ging die ursprüngliche Bedeutung von ''Hag'' verloren. Eigentlich bezeichnet der ''Hag'' ja eine Hecke und/oder ein umfriedetes Grundstück, in dem das Vieh gehalten wurde. Nicht so in der soeben umrissenen Region: Dort wird häufig der Stall selbst ''Hag'' genannt. Da also ''Hag'' nicht mehr mit dem ‚Gebüsch‘ in Verbindung gebracht wurde, überformte man deshalb im Wort ''Hagebutte'' wohl ''Hag'' mit ''Hagel'', was in Anbetracht der Gestalt der Hagebutten nur schlüssig ist.
 
Bei ''Hagelbutzen'', wie sie im unteren Oberinntal vorkommen, ging die ursprüngliche Bedeutung von ''Hag'' verloren. Eigentlich bezeichnet der ''Hag'' ja eine Hecke und/oder ein umfriedetes Grundstück, in dem das Vieh gehalten wurde. Nicht so in der soeben umrissenen Region: Dort wird häufig der Stall selbst ''Hag'' genannt. Da also ''Hag'' nicht mehr mit dem ‚Gebüsch‘ in Verbindung gebracht wurde, überformte man deshalb im Wort ''Hagebutte'' wohl ''Hag'' mit ''Hagel'', was in Anbetracht der Gestalt der Hagebutten nur schlüssig ist.
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==='''Juckpulver inklusive'''===
 
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Die roten Herbstfrüchte tragen im Zillertal, im Brixental, in der Wildschönau und in einigen anderen Gemeinden im Tiroler Unterland einen ganz besonders delikaten Namen: die ''Arschkitzeln''. Vielleicht erinnern sich manche an jene Lausbubenstreiche, bei denen das Innere, also die behaarten Kerne, der Hagebutte als Juckpulver eingesetzt wurden. Der Name steht mit dieser Eigenschaft unmittelbar in Verbindung. Früher aß man ungekochte Hagebutten, um Beschwerden von Niere und Blase zu lindern. Halfen sie gegen das eine Übel, lösten sie ein anderes aus. Dem Verzehr der unverdauten, behaarten Kerne folgte nämlich ein unangenehmer Juckreiz im Darm. Dass die ''Arschkitzeln'' nicht nur bei uns, sondern etwa auch in Frankreich ähnliche Symptome hervorriefen, zeigt sich in dem französischen Wort für Hagebutte ''gratte-cul'', das wörtlich übersetzt ‚kratz den Hintern‘ bedeutet. Dieses soll wiederum aus der Umdeutung von lateinisch ''crataegus'' ‚Weißdorn‘ entstanden sein.<ref>[Genaust, S. 128 | PfWB, Bd. 1, Sp. 339 | Höfer, S. 43 | Schatz, S. 30]</ref>
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Die roten Herbstfrüchte tragen im Zillertal, im Brixental, in der Wildschönau und in einigen anderen Gemeinden im Tiroler Unterland einen ganz besonders delikaten Namen: die ''Arschkitzeln''. Vielleicht erinnern sich manche an jene Lausbubenstreiche, bei denen das Innere, also die behaarten Kerne, der Hagebutte als Juckpulver eingesetzt wurden. Der Name steht mit dieser Eigenschaft unmittelbar in Verbindung. Früher aß man ungekochte Hagebutten, um Beschwerden von Niere und Blase zu lindern. Halfen sie gegen das eine Übel, lösten sie ein anderes aus. Dem Verzehr der unverdauten, behaarten Kerne folgte nämlich ein unangenehmer Juckreiz im Darm. Dass die ''Arschkitzeln'' nicht nur bei uns, sondern etwa auch in Frankreich ähnliche Symptome hervorriefen, zeigt sich in dem französischen Wort für Hagebutte ''gratte-cul'', das wörtlich übersetzt ‚kratz den Hintern‘ bedeutet. Dieses soll wiederum aus der Umdeutung von lateinisch ''crataegus'' ‚Weißdorn‘ entstanden sein.<ref>[*Genaust, S. 128 | PfWB, Bd. 1, Sp. 339 | Höfer, S. 43 | Schatz, S. 30]</ref>
  
 
==='''Von slawischen Beeren inspiriert '''===
 
==='''Von slawischen Beeren inspiriert '''===
Mit ihrem kräftigen Rot leuchten im nördlichen und östlichen Teil Osttirols die ''Naunitzen'' aus den stachelbewehrten Büschen. Dieses leitet sich dort von einem slawischen Wort *''agoda'' für ‚Beere‘ ab. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass das fehlende ''j'' am Wortanfang bei ''Aunitze'' bzw. ''Naunitze'' einen Hinweis auf das Alter der Entlehnung liefert, denn im Slowenischen existiert die Form ''jagoda'' ‚Erdbeere, Beere‘, wobei das ''j'' am Wortanfang erst nach dem  12. Jahrhundert hinzukam. Das zeigt also, dass unsere Osttiroler Wörter vor diesem ''j''-Vorschlag entlehnt worden sein müssen. Das ''n'' bei ''Naunitze'' entstand im Übrigen durch die sogenannte Agglutination.<ref>[WBÖ, Bd. 1, S. 474]</ref>
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Mit ihrem kräftigen Rot leuchten im nördlichen und östlichen Teil Osttirols die ''Naunitzen'' aus den stachelbewehrten Büschen. Dieses leitet sich dort von einem slawischen Wort *''agoda'' für ‚Beere‘ ab. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass das fehlende ''j'' am Wortanfang bei ''Aunitze'' bzw. ''Naunitze'' einen Hinweis auf das Alter der Entlehnung liefert, denn im Slowenischen existiert die Form ''jagoda'' ‚Erdbeere, Beere‘, wobei das ''j'' am Wortanfang erst nach dem  12. Jahrhundert hinzukam. Das zeigt also, dass unsere Osttiroler Wörter vor diesem ''j''-Vorschlag entlehnt worden sein müssen. Das ''n'' bei ''Naunitze'' entstand im Übrigen durch die sogenannte Agglutination.<ref>[*WBÖ, Bd. 1, S. 474]</ref>
  
 
==='''Beere, schwer bewaffnet'''===
 
==='''Beere, schwer bewaffnet'''===
Im hinteren Defereggen-, Puster-, Villgraten- und Lesachtal begegnet man am Waldrand den ''Dornäpfeln''. Dieses Wort hat wenig mit richtigen Äpfeln zu tun, sondern ist ebenfalls ein Name für die Hagebutte. Dem Umstand, dass der Strauch mit Dornen übersäht ist, hat die Hagebutte hier den ersten Wortteil zu verdanken. Der zweite lässt sich auf die optische Ähnlichkeit bei Farbe und Form von Apfel zu Hagebutte zurückführen.<ref>[Schatz, S. 525]</ref>   
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Im hinteren Defereggen-, Puster-, Villgraten- und Lesachtal begegnet man am Waldrand den ''Dornäpfeln''. Dieses Wort hat wenig mit richtigen Äpfeln zu tun, sondern ist ebenfalls ein Name für die Hagebutte. Dem Umstand, dass der Strauch mit Dornen übersäht ist, hat die Hagebutte hier den ersten Wortteil zu verdanken. Der zweite lässt sich auf die optische Ähnlichkeit bei Farbe und Form von Apfel zu Hagebutte zurückführen.<ref>[*Schatz, S. 525]</ref>   
  
 
==='''(H)etschepetsch!'''===
 
==='''(H)etschepetsch!'''===
Vom Wort her weniger häufig vorkommend, aber dafür in ganz Osttirol verteilt, wachsen die ''Hetschepetsch''. Woher diese Bezeichnung kommt, ist bislang ungeklärt. Ein Zusammenhang mit dem tschechischen Wort für ‚Hagebutte‘ ''šipek'' und ''šip'', ''šipka'' ‚Dorn‘ scheint aber auch regional gesehen wahrscheinlich.<ref>[Schmeller, Bd. 1, Sp. 1192]</ref>
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Vom Wort her weniger häufig vorkommend, aber dafür in ganz Osttirol verteilt, wachsen die ''Hetschepetsch''. Woher diese Bezeichnung kommt, ist bislang ungeklärt. Ein Zusammenhang mit dem tschechischen Wort für ‚Hagebutte‘ ''šipek'' und ''šip'', ''šipka'' ‚Dorn‘ scheint aber auch regional gesehen wahrscheinlich.<ref>[*Schmeller, Bd. 1, Sp. 1192]</ref>
  
 
==='''Vorsicht, Pfroselstaude!'''===
 
==='''Vorsicht, Pfroselstaude!'''===
Will man Früchte für den hauseigenen Hagebuttentee sammeln, pflückt man dafür im gesamten Tiroler Oberland und in Teilen des Außerferns, dort vor allem aber im Lechtal, ''Pfroseln''. Dieses Wort ist romanischen Ursprungs. Eine belegte Vorform dieser Bezeichnung gibt es nicht, aber lautgesetzlich muss das ursprüngliche Wort auf *''frausula'' zurückgehen.<ref>[Schatz, S. 75 | WBÖ, Bd. 3, S. 116 | Mätzler, S. 18 | Schneider, S. 211]</ref>
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Will man Früchte für den hauseigenen Hagebuttentee sammeln, pflückt man dafür im gesamten Tiroler Oberland und in Teilen des Außerferns, dort vor allem aber im Lechtal, ''Pfroseln''. Dieses Wort ist romanischen Ursprungs. Eine belegte Vorform dieser Bezeichnung gibt es nicht, aber lautgesetzlich muss das ursprüngliche Wort auf *''frausula'' zurückgehen.<ref>[*Schatz, S. 75 | WBÖ, Bd. 3, S. 116 | Mätzler, S. 18 | Schneider, S. 211]</ref>
  
 
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Version vom 9. Mai 2018, 10:05 Uhr

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lexikalische Varianten von 'Hagebutten'
Eine dornige Angelegenheit
Naht der Herbst, färben sich auch die Früchte der Wildrose. Entdeckt man diese leuchtend roten Beeren in Tirol, spricht man nicht unbedingt von Hagebutten. Man nennt sie auch Pfroseln, Naunitzen, Dornäpfel, Hetschepetsch, Hage(l)butzen oder Hagelbutten und bedenkt sie damit mit einer Vielzahl anderer Bezeichnungen. Besonders ist hier, dass man häufig nicht zwischen dem Strauch und der Frucht unterscheidet und somit ein Wort für beides steht.[1]

(Fast) eintöniger Beginn, vielfältiges Ende

Dass es nicht immer ganz ausgefallen sein muss, zeigt sich rund um Innsbruck, Lienz und Kitzbühel. Dort gibt es Ansammlungen von Hagebutten. Im Mittelhochdeutschen stand butte bereits für die Hagebutte selbst, erst ab dem 15. Jahrhundert wurde zur Verdeutlichung hage- vorangestellt. Das mittelhochdeutsche hac ‚Dorngesträuch, Hecke, Umzäunung‘ betont damit den Umstand, dass es sich um die Frucht der in Hecken wachsenden Wildrose handelt.[2]

Zwischen den dornenbesetzten Zweigen hängen im Tannheimer Tal, um Reutte und im Wipp- und Stubaital sowie in Navis die Hagebutzen. Mit dem zweiten Wortteil -butz wurde wahrscheinlich ursprünglich die Knospe bezeichnet. Auch der unterste Teil des Apfels, der von der Blüte als vertrockneter Rest übriggeblieben ist, war mancherorts damit gemeint. Auch der unterste Teil einer Hagebutte sieht ähnlich aus. Hagebutzen und Hagebutten koexistieren bis heute in Tirol, in der StandardspracheBezeichnung für eine Sprache, die überregionale Gültigkeit besitzt, in vielen Kontexten sozialer Interaktion akzeptiert und erwünscht ist und mittels eines Regelwerks normiert ist. Im deutschen Sprachraum wird sie gemeinhin auch mit Hochdeutsch oder im wissenschaftlichen Kontext mit Standarddeutsch gleichgesetzt. hat sich aber Hagebutten durchgesetzt.[3]

Bei Hagelbutzen, wie sie im unteren Oberinntal vorkommen, ging die ursprüngliche Bedeutung von Hag verloren. Eigentlich bezeichnet der Hag ja eine Hecke und/oder ein umfriedetes Grundstück, in dem das Vieh gehalten wurde. Nicht so in der soeben umrissenen Region: Dort wird häufig der Stall selbst Hag genannt. Da also Hag nicht mehr mit dem ‚Gebüsch‘ in Verbindung gebracht wurde, überformte man deshalb im Wort Hagebutte wohl Hag mit Hagel, was in Anbetracht der Gestalt der Hagebutten nur schlüssig ist.

Ein Fressen für die Vögel

Als Vogelbutzen kennt man sie am Eingang des Wipptals und am Fuße des Seefelder Plateaus. Diese Bezeichnung kommt in einem Gebiet vor, indem sonst Hagelbutze, konkret die Houglbutsn gesagt wird. Dort hat man wahrscheinlichen den ersten Wortteil Hougl- nicht mehr verstanden, machte deshalb daraus das ähnlich klingende Vouglputsn. Mit ihrer Farbe legen Hagebutten auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Vogelbeeren an den Tag. Abgesehen davon gehören die Hagebutten ja auf den Speisezettel von Vögeln.

Juckpulver inklusive

Die roten Herbstfrüchte tragen im Zillertal, im Brixental, in der Wildschönau und in einigen anderen Gemeinden im Tiroler Unterland einen ganz besonders delikaten Namen: die Arschkitzeln. Vielleicht erinnern sich manche an jene Lausbubenstreiche, bei denen das Innere, also die behaarten Kerne, der Hagebutte als Juckpulver eingesetzt wurden. Der Name steht mit dieser Eigenschaft unmittelbar in Verbindung. Früher aß man ungekochte Hagebutten, um Beschwerden von Niere und Blase zu lindern. Halfen sie gegen das eine Übel, lösten sie ein anderes aus. Dem Verzehr der unverdauten, behaarten Kerne folgte nämlich ein unangenehmer Juckreiz im Darm. Dass die Arschkitzeln nicht nur bei uns, sondern etwa auch in Frankreich ähnliche Symptome hervorriefen, zeigt sich in dem französischen Wort für Hagebutte gratte-cul, das wörtlich übersetzt ‚kratz den Hintern‘ bedeutet. Dieses soll wiederum aus der Umdeutung von lateinischDie älteste, schriftlich überlieferte romanische Sprache. Aus der gesprochenen Variante, die auch als ''Vulgärlatein'' bezeichnet wird, entwickelten sich die heute noch gesprochenen romanischen Sprachen, so etwa Französisch, Spanisch, Portugiesisch oder Italienisch. crataegus ‚Weißdorn‘ entstanden sein.[4]

Von slawischen Beeren inspiriert

Mit ihrem kräftigen Rot leuchten im nördlichen und östlichen Teil Osttirols die Naunitzen aus den stachelbewehrten Büschen. Dieses leitet sich dort von einem slawischen Wort *Sternchen (Asterisk); bezeichnet eine Form, die sprachgeschichtlich nicht schriftlich belegt, sondern nur erschlossen istagoda für ‚Beere‘ ab. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass das fehlende j am Wortanfang bei Aunitze bzw. Naunitze einen Hinweis auf das Alter der Entlehnung liefert, denn im Slowenischen existiert die Form jagoda ‚Erdbeere, Beere‘, wobei das j am Wortanfang erst nach dem 12. Jahrhundert hinzukam. Das zeigt also, dass unsere Osttiroler Wörter vor diesem j-Vorschlag entlehnt worden sein müssen. Das n bei Naunitze entstand im Übrigen durch die sogenannte Agglutinationist ein Vorgang, bei dem sich Laute oder darüberhinausgehende Einheiten an ein anderes Wort anheften. Davon sind oft Präpositionen oder Artikel betroffen, die sich mit einem nachfolgenden Wort verbinden. Im Dialekt ist dies häufig zu beobachten, wie etwa bei ''Nåpm'' für 'Atem', das aus ''n Åpm'' hervorgeht, oder ''Nahle'', einem Werkzeug zum Vorstechen von Löchern, dem ''n Ahle'' zugrunde liegt..[5]

Beere, schwer bewaffnet

Im hinteren Defereggen-, Puster-, Villgraten- und Lesachtal begegnet man am Waldrand den Dornäpfeln. Dieses Wort hat wenig mit richtigen Äpfeln zu tun, sondern ist ebenfalls ein Name für die Hagebutte. Dem Umstand, dass der Strauch mit Dornen übersäht ist, hat die Hagebutte hier den ersten Wortteil zu verdanken. Der zweite lässt sich auf die optische Ähnlichkeit bei Farbe und Form von Apfel zu Hagebutte zurückführen.[6]

(H)etschepetsch!

Vom Wort her weniger häufig vorkommend, aber dafür in ganz Osttirol verteilt, wachsen die Hetschepetsch. Woher diese Bezeichnung kommt, ist bislang ungeklärt. Ein Zusammenhang mit dem tschechischen Wort für ‚Hagebutte‘ šipek und šip, šipka ‚Dorn‘ scheint aber auch regional gesehen wahrscheinlich.[7]

Vorsicht, Pfroselstaude!

Will man Früchte für den hauseigenen Hagebuttentee sammeln, pflückt man dafür im gesamten Tiroler Oberland und in Teilen des Außerferns, dort vor allem aber im Lechtal, Pfroseln. Dieses Wort ist romanischen Ursprungs. Eine belegte Vorform dieser Bezeichnung gibt es nicht, aber lautgesetzlich muss das ursprüngliche Wort auf *frausula zurückgehen.[8]

Karte/Kartentext: Baumgartner


  1. [DWBGrimm, Jacob/Grimm, Wilhelm (1854–1961): Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16. Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig: S. Hirzel., Bd. 10, Sp. 140]
  2. [KlugeKluge, Friedrich (2002): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Kluge. Bearb. von Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Aufl. Berlin/New York: de Gruyter., S. 383 | PfeiferPfeifer, Wolfgang (2005): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Ungekürzte, durchges. Ausg.; 8. Aufl. München: Dt. Taschenbuch-Verl., S. 493–494]
  3. [Kluge, S. 164 | DWB, Bd. 2, Sp. 591]
  4. [GenaustGenaust, Helmut (2005): Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Hamburg: Nikol., S. 128 | PfWB(1965–1998): Pfälzisches Wörterbuch. Begründet von Ernst Christmann. Fortgef. von Julius Krämer. Bearb. von Rudolf Post. Unter Mitarb. von Josef Schwing und Sigrid Bingenheimer. 6 Bde. und ein Beiheft. Wiesbaden: Franz Steiner Verlag., Bd. 1, Sp. 339 | HöferHöfer, Matthias (1815): Etymologisches Wörterbuch der in Oberdeutschland, vorzüglich aber in Oesterreich üblichen Mundart. 1. Teil. Linz: Joseph Kastner., S. 43 | SchatzSchatz, Josef (1993) (1955–1956): Wörterbuch der Tiroler Mundarten. Für den Druck vorbereitet von Karl Finsterwalder. Unveränderter Nachdruck der Ausgaben von 1955 und 1956. 2 Bde. Innsbruck: Universitätsverlag Wagner (= Schlern-Schriften 119–120)., S. 30]
  5. [WBÖÖAW/BAW (1970–): Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich. Wien et al.: Verlag der Österreichischen Wissenschaften., Bd. 1, S. 474]
  6. [Schatz, S. 525]
  7. [SchmellerSchmeller, Johann Andreas (1872 und 1877): Bayerisches Wörterbuch. 2., mit des Verfassers Nachträgen vermehrte Ausgabe. Bearbeitet von Georg Karl Frommann. 2 Bde. München: Rudolf Oldenbourg., Bd. 1, Sp. 1192]
  8. [Schatz, S. 75 | WBÖ, Bd. 3, S. 116 | MätzlerMätzler, Maria Clarina (1968): Romanisches Wortgut in den Mundarten Vorarlbergs. Innsbruck: Eugen-Ruß-Verlag., S. 18 | SchneiderSchneider, Elmar (1963): Romanische Entlehnungen in den Mundarten Tirols. Disseration., S. 211]
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