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Erstellt von Julian am 13. November 2017, um 12:21 Uhr

Aus Tiroler Dialektarchiv

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Bedeutung Felsen/Felsformation
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Eine felsige Angelegenheit
Für Felsen und Felsformationen gibt es in Tirol naturgemäß zahlreiche Bezeichnungen. Dies mag aufgrund der geographischen Gegebenheiten auch kaum verwundern. Ob Palfen, Schrofen, Kofel, Knote oder Klapf verwendet wird, ist nicht nur örtlich verschieden, sondern auch von Form und Aufbau der bezeichneten Felsformationen abhängig. Hier kann es bei einzelnen Ortschaften große Unterschiede geben. Dies zeigt schön, dass das Wort Felsen allein für die Beschreibung der Verhältnisse in Tirol bei weitem nicht ausreichte.

Ein altes AlpenwortBezeichnung für ein Wort, das spezifisch für die Alpengegend ist, nur dort vorkommt und dessen Herkunft meistens nicht klar bestimmbar ist, da sie in voreinzelsprachliche (siehe ''voreinzelsprachlich'') Zeit zurückreicht. Beispiele für solche Wörter bzw. Namen wären ''Tauern'' oder ''Gande''.: Palfen

Im Zillertal, in Osttirol sowie im Unterland östlich der Zillermündung bezeichnet man verschiedenste Felsformen mit dem Wort Palfen. Was genau mit Palfen bezeichnet wird, kann örtlich stark unterschiedlich sein. So bezeichnet man in Söll einen großen Fels, der sich gelöst hat und nun in einem Feld liegt, als Palfen, während man in Brandenberg darunter eine Landschaft mit Steilstufen und flachen Abschnitten meint. Andernorts kann auch jeder beliebige Felsen mit diesem Wort bedacht werden, den verschiedenen Möglichkeiten sind hier keine Grenzen gesetzt. Auffällig ist zudem die Zweiteilung zwischen Pålfen und Påifen. Die Formen mit l-Vokalisierungallgemein; l- und r-Vokalisierung fallen auch drunter kommen ausschließlich östlich der Zillermündung vor, während im Zillertal und in Osttirol das l erhalten blieb. Erwähnenswert ist zudem noch die KollektivbildungAbleitung von einem Hauptwort zur Bezeichnung einer Gruppe von Einzeldingen. Dabei wird meist die Vorsilbe ''Ge-'' oder die Nachsilbe ''-ach'' verwendet, z.B. ''Berge'' - '''''Ge'''birge'', ''Wasser'' - '''''Ge'''wässer'', Stein - '''''Ge'''stein'', ''Stein'' - ''Stein'''ach''''' usw. Gepööf, die in Brixen im Thale vorkommt, sich aber ebenfalls auf Palfen zurückführen lässt. Die Herkunft dieses Wortes ist nicht klar. Es dürfte sich wohl um ein altes Alpenwort handeln, das – wie auch Tauern und Alpen – aus voreinzelsprachlicher Zeit über alpenromanische VermittlungDamit sind Wörter gemeint, die zwar nicht aus einer romanischen Sprache stammen, aber durch diese übermittelt wurden. Wenn z.B. die nach der römischen Eroberung des Alpenbogens hier siedelnden Romanen ein Wort aus dem Keltischen von der Vorbevölkerung übernahmen und dieses Wort dann wiederum die Baiern von den noch dort siedelnden Romanen übernahmen. Somit konnte ein Wort oder ein Name zwar z.B. keltischen Ursprungs sein, wenngleich es zu keinem direkten Kontakt zur keltischen Vorbevölkerung kam. Die Wörter und Namen wurden zudem an die romanische Sprache angepasst und sind somit gewissermaßen in entstellter Form in bairischen Mund gekommen. in die Tiroler Dialekte übernommen wurde. Zudem scheint ein Zusammenhang mit dem in der Schweiz verbreiteten Begriff Balm wahrscheinlich. Dieser tritt urkundlich 1273 auch als Balbe auf und bedeutet ebenfalls ‚Fels(höhle), überhängender Felssturz‘.[1]

Schroffe Schrofen in fast ganz Tirol

Im gesamten Inntal sowie im Paznaun, Wipp- und Stanzertal bezeichnet man Felsen aller Art mit Schrofen. Auch hier sind die Bedeutungszuschreibungen vielfältig und reichen von ‚Felswand‘, bis hin zu ‚kleine Felsspitze, felsiges Gelände‘ oder einfach ‚Felsen‘. Zudem wird in Ebbs eine Kollektivbildung Gschreef – vergleichbar mit Gepööf bei Palfen – genannt. Ein einziges Mal wird Schrofen außerdem in Osttirol genannt. Auffällig ist zudem die Zweiteilung zwischen einer Variante mit langem Vokal Schroofen und einer mit Zwielautauch ''Diphthong''. Zwei aufeinanderfolgende unterschiedliche Vokale, die als Einheit erfasst und nicht getrennt werden können. Im Deutschen treten folgende Diphthonge auf, die auch unter der Bezeichnung Zwielaute bekannt sind: ''ei''/''ai''/''ay''/''ey'', ''au'', ''äu''/''eu'', ''ui''. Schroufen. Was die Verbreitung betrifft, fällt nicht nur das (fast) vollständige Fehlen des Begriffes in Osttirol auf, sondern auch die Lücken im Ötz-, Ziller-, Brixen- und Leukental. Die genannten Gebiete – mit Ausnahme des Ötztales – sind nämlich Hochburgen des Begriffes Palfen, weswegen das dortige Fehlen von Schrofen nicht weiter zu verwundern braucht. Das Wort geht auf mittelhochdeutschEine Vorstufe der heutigen deutschen Sprache, die in etwa zwischen 1050 und 1350 gesprochen wurde. Mittelhochdeutsch steht also zwischen dem älteren Althochdeutschen und dem heute gesprochenen Neuhochdeutschen. schroffe bzw. schrove in der Bedeutung ‚zerklüfteter Fels, Felsklippe‘ zurück und steht mit dem Eigenschaftswortauch ''Adjektiv''. ''Adjektiv'' und ''Eigenschaftswort'' sind Bezeichnungen für eine Wortart, die die Beschaffenheit und Eigenschaft eines Gegenstands oder Vorgangs bestimmt, z.B. '''''schönes''''', '''''großes''''', '''''altes''''', '''''hölzernes''' Haus''. schroff in Verbindung.[2]

Der Kofel ist nicht nur rund

Im gesamten Ötztal, in Mötz, Oberhofen im Inntal, in der Wildschönau und in Schlaiten kommt der Begriff Kofel in etwas anderer Bedeutung als im restlichen Tirol vor. Kennt man den Begriff ansonsten als Bezeichnung für einen etwas runderen, nicht allzu schroffen Berggipfel – vgl. etwa den Patscherkofel bei Innsbruck – wird in diesen Regionen damit (auch) ein ‚größerer Gesteinsbrocken, Felsen, alleinstehender Felskopf‘ so bezeichnet. Auffällig dabei ist das gehäufte Auftreten im Ötztal, wo andere Begriffe fehlen und der Begriff als Kööfel mit dem für das Ötztal so typischen ö gesprochen wird. Kofel ist bereits im Mittelhochdeutschen als kofel belegt, während die weitere Herkunft unklar ist. Es dürfte ein Zusammenhang zwischen Kofel und Kogel bestehen. Möglich erscheint daher auch ein Zusammenhang mit Kugel, was sich schön mit der Bedeutung ‚runder Berggipfel‘ in Einklang bringen ließe, da die Ausgangsbedeutung dann ‚biegen, krümmen, wölben‘ lauten würde. Eine weitere Möglichkeit bestünde zudem in einer romanischen Entlehnung. Kofel wäre demnach aus romanischEine Sprachfamilie, zu der heute vor allem die Nachfolgesprachen des Lateinischen zählen, also etwa das Französische, Spanische, Portugiesische oder Italienische. cuppula, cūpula entstanden. Diese beiden Formen sind selbst ein Diminutiv zu cuppa ‚Becher‘.Vergleichbar wäre im Deutschen noch das Wort Kuppel, das zwar später aus dem Italienischen entlehnt wurde, letztendlich aber ebenfalls auf cuppa zurückgeht.[3]

Kein gordischer Knote(n)

In Osttirol – genauer im Pustertal – kennt man für ‚großer Felsen, ‚Felsvorsprung‘ die Bezeichnung Knote. Der Begriff scheint ein Spezifikum dieser Region zu sein, kommt er sonst doch nirgends vor. Etymologisch gesehen lässt sich Knote mit dem neuhochdeutschen Wort Knoten verbinden. Das Wort kommt von mittelhochdeutsch knote und lässt sich – wenn man noch weiter zurückgeht – zu einer Wortgruppe stellen, die mit kn- beginnt und deren ursprüngliche Bedeutung ‚verdickter Gegenstand‘ war, vgl. dazu auch Knöchel, Knolle, Knie usw. Offenbar hat man also den Felsen ebenfalls als „verdickten Gegenstand“ betrachtet und die Bedeutung sekundär übertragen, vgl. dazu auch die Kollektivform Geknotwerch, die zwar in der Karte nicht aufscheint, aber im Wörterbuch der Tiroler Mundarten von Josef SchatzSchatz, Josef (1993) (1955–1956): Wörterbuch der Tiroler Mundarten. Für den Druck vorbereitet von Karl Finsterwalder. Unveränderter Nachdruck der Ausgaben von 1955 und 1956. 2 Bde. Innsbruck: Universitätsverlag Wagner (= Schlern-Schriften 119–120). angeführt ist.[4]

Klapferndes Gestein

Ein im Zillertal genannter Ausdruck für Felsen ist Klapf. Dieser nur selten genannte Begriff dürfte – laut Schatz – auch im Defereggen verbreitet sein und meint einen ‚Felsen, Felsstufe im Gelände‘ oder einen ‚felsigen Absatz‘. Die genaue Wortherkunft ist unklar, jedoch lässt sich das Wort Klippe sehr gut vergleichen. Klapf wäre demnach die hochdeutsche Form zum niederdeutschen Klippe. Der Wandel p zu pf ist dabei der hochdeutschen Lautverschiebung geschuldet. Die verschiedenen Vokalqualitäten – dialektal lautet es auch Kloopf – sind das Ergebnis verschiedener Stufen des Ablautes.[5]

Karte/Kartentext: Blassnigg
  1. [Schatz, S. 43—44 | DWBGrimm, Jacob/Grimm, Wilhelm (1854–1961): Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16. Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig: S. Hirzel., Bd. 13, Sp. 1412 | SchöpfSchöpf, Johann Baptist (1866): Tirolisches Idiotikon. Wagner'sche Universitätsbuchhandlung: Innsbruck., S. 27 | HornungHornung, Maria (1964): Mundartkunde Osttirols. Eine dialektgeographische Darstellung mit volkskundlichen Einblicken in die altbäuerliche Lebenswelt. Mit Laut- und wortkundlichen Karten (= Studien zur österreichisch-bairischen Dialektkunde 3). Graz, Wien et al.: Böhlau., S. 107 | Idiotikon(1881–) Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache., S. 1215]
  2. [DWB, Bd. 15, Sp. 1763 | Schatz, S. 554 | KlugeKluge, Friedrich (2002): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Kluge. Bearb. von Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Aufl. Berlin/New York: de Gruyter., S. | LexerLexer, Matthias (1872–1878): Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig: S. Hirzel., Bd. 2, Sp. 802]
  3. [Kluge, S. 508 und 548 | Schatz, S. 247 | DWB, Bd. 11, Sp. 1574 und Bd. 11, Sp. 1578 | Lexer, Bd. 1, Sp. 1661]
  4. [Kluge, S. 505 | DWB, S. Bd. 11, Sp. 1499 | Lexer, Bd. 1, Sp. 1650 | Schatz, S. 346]
  5. [Schatz, S. 337 | DWB, Bd. 11, Sp. 955 | Kluge, S. 497 | PfeiferPfeifer, Wolfgang (2005): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Ungekürzte, durchges. Ausg.; 8. Aufl. München: Dt. Taschenbuch-Verl., S. 671]
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