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Erstellt von Julia am 6. September 2016, um 08:57 Uhr

Aus Tiroler Dialektarchiv

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|Kartentitel=Die 'Biene' in Tirol
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|KartiertesPhaenomen=lexikalische Varianten von 'Biene'
|Kartentext=In Tirol zählt man vier unterschiedliche Bezeichnungen für Biene. Eine recht eindeutige Trennung der Verbreitungsgebiete schließt die Überlappung parallel existierender Formen nahezu aus.  
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|Kartentitel=In Tirol kommt der Honig nicht nur von den ''Bienen''
Die größte Gruppe machen dabei Varianten von ''Beie'' aus, die die Bezirke Landeck, Imst und Lienz dominieren. ''Beie'' geht auf das mhd. ''bîe'' zurück, dessen gelängtes ''-i-'' durch die neuhochdeutsche Diphthongierung, die ab dem 12. Jahrhundert stattgefunden hat, zu ''-ei-'' wurde. ''Imp'' findet östlich von Innsbruck im gesamten Tiroler Unterland einschließlich in dessen Nebentälern Verbreitung. Über kleinräumigere Ausdehnung verfügt die Variante ''Imme'', die ausschließlich im Bezirk Reutte auftritt. ''Imme'' und ''Imp'' gehen auf die gleiche sprachliche Wurzel zurück. Beide stammen vom ahd. ''imbi'', ''impi'' ab, sie haben sich jedoch im Laufe der Zeit auseinander entwickelt. Während im Außerfern die Endung getilgt wurde und Assimilationsprozesse ''-mb-'' zu ''–mm-'' wandelten, blieb im Tiroler Unterland das ''-p-'' erhalten oder ersetzte ''-b'' infolge der Auslautverhärtung. Die Endung ''-e'', die aus Abschwächung der Endsilbe ''-i'' zum Mittelhochdeutschen hin entstand, wurde hier nicht abgebaut. Ursprünglich standen ''Imp'' und ''Imme'' für den Bienenschwarm, die Bedeutung ‚Biene‘ kam erst im Spätmittelhochdeutschen hinzu. In der Umgebung von Innsbruck treffen die drei Varianten ''Beie'', ''Imme'' und ''Biene'' aufeinander. Das Auftreten zweier möglicher Formen ist, so zeigt die Karte, davon bedingt, dass eine dieser Varianten stets die standardsprachliche Ausprägung ''Biene'' sein muss. Grundsätzlich kann aber eine Häufung der standardsprachlichen Form ''Biene'' in Gemeinden in direkter Nähe zu Innsbruck verzeichnet werden, was auf sprachliche Ausgleichsbewegungen rund um die Landeshauptstadt Tirols schließen lässt. Das ehemals kurz gesprochene ''-i-'' in mhd. ''bine'' entstand aus der Dehnung offener Tonsilben, was die gelängte heutige Aussprache zur Folge hat. (Quellen: Kluge, Schöpf, DWB)
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|Kartentext='''Aber lediglich sprachlich gesehen – rein technisch geht es natürlich auch in Tirol nicht anders als in anderen Ländern zu. In heimischen Gärten und Wiesen tummeln sich ''Beien'', ''Immen'', ''Impen'' und ''Bienen'' – optisch ziemlich vielfältig, aber eigentlich allesamt bloß Bezeichnungen für ein und dasselbe, nämlich die ‚Biene‘. Alle vier Varianten findet man niemals zugleich, da zumindest drei von ihnen in klar voreinander abgetrennten geographischen Räumen vorkommen.'''
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==='''Fleißig wie die ''Beien'''''===
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Im gesamten Tiroler Oberland, westlich und südlich von Innsbruck und auch in Osttirol sieht man der ''Beie'' zu, wie sie von Blume zu Blume fliegt. Im Mittelhochdeutschen liegt mit ''bîe'' eine Form vor, die dem heutigen dialektalen Beie bereits recht nahe kommt. Durch die neuhochdeutsche Diphthongierung wurde schließlich das lang gesprochene ''î'' zum ''ei'' und damit zum formvollendeten ''Beie''.<ref>[DWB, Bd. 1, Sp. 1367 | Schöpf, S. 34]</ref>
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==='''Geradezu poetisch'''===
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Nur im Außerfern, dort aber sehr populär, tritt die ''Imme'' als Honigproduzentin auf. Eine Bezeichnung, die man wohl vor allem aus der Dichtung kennt. In Kreuzworträtseln wird sie häufig über ''poetisch: Biene'' abgefragt, damit stellt sie sich in eine Reihe mit ''Leu'' ‚Löwe‘ und ''Emse'' ‚Ameise‘. Das im Althochdeutschen belegte Wort ''imbi'', von dem ''Imme'' abstammt, hatte ursprünglich die Bedeutung ‚Bienenschwarm‘. Erst in spätmittelhochdeutscher Zeit trat neben diese Bedeutung auch ‚Biene‘. Nur durch das Geschlecht lässt sich der Schwarm ('''''der''' Imme'') vom Insekt ('''''die''' Imme'') unterscheiden. Um sich die Aussprache zu erleichtern, wurde das ''b'' in ''imbi'' an das vorangehende ''m'' angepasst. Dies muss recht früh geschehen sein, denn im Mittelhochdeutschen gab es bereits die Nebenform ''imme''.<ref>[DWB, Bd. 10, Sp. 2065–2066 | Köbler², S. 89 | Pfeifer, S. 573 | Kluge, S. 435 | Lexer, Bd. 1, Sp. 1421]</ref>
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==='''Da fliegt die/der ''Imp'''''===
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Östlich von Innsbruck und im gesamten Tiroler Unterland ist neben Fliegen, Hummeln und anderen Insekten die ''Imp'' (oder der ''Imp'') für die Bestäubung der Blumen zuständig. Diese Bezeichnung geht wie ''Imme'' auf althochdeutsch ''imbi'' zurück. Hier ist jedoch – anders als bei ''Imme'' – das ''p'' noch vorhanden. Nur [[SSW 120|im Zillertal ist das ''e'' am Wortende bis heute erhalten]] geblieben, dort gibt es die Form ''Impe''. Welches Geschlecht ''Imp'' hat, ist von Region zu Region unterschiedlich, es überwiegt mit '''''die''' Imp'' die weibliche Form.<ref>[Lexer, Bd. 1, Sp. 1421 | Schatz, S. 310]</ref>
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==='''Bekannt geht es auch'''===
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Wie es typisch für Ballungsräume ist, verwendet man dort ein standardnahes Wort: In Gemeinden in direkter Nähe zu Innsbruck sammelt nämlich die ''Biene'' Pollen und Nektar. Im Mittelhochdeutschen wurde das ''i'' in ''bine'' noch kurz ausgesprochen – es gab dort aber auch schon lang gesprochene Nebenformen – heute ist das ''i'' sowohl im Dialekt als auch im Standarddeutschen lang.<ref>[Pfeifer, S. 133 | Kluge, S. 121]</ref>
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==='''Ein geregeltes Zusammentreffen'''===
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In Zentrum Tirols und damit wieder rund Innsbruck treffen drei der vier Bezeichnungsmöglichkeiten, ''Beie'', ''Imp'' und ''Biene'', aufeinander. Deutlich wird hier, dass immer nur zwei Formen gemeinsam auftreten können und eine davon zwangsläufig das standardnahe ''Biene'' sein muss.
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<small>Karte/Kartentext: Julia Baumgartner</small>
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Aktuelle Version vom 6. Juni 2018, 07:45 Uhr

Bedeutung Biene
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lexikalische Varianten von 'Biene'
In Tirol kommt der Honig nicht nur von den Bienen
Aber lediglich sprachlich gesehen – rein technisch geht es natürlich auch in Tirol nicht anders als in anderen Ländern zu. In heimischen Gärten und Wiesen tummeln sich Beien, Immen, Impen und Bienen – optisch ziemlich vielfältig, aber eigentlich allesamt bloß Bezeichnungen für ein und dasselbe, nämlich die ‚Biene‘. Alle vier Varianten findet man niemals zugleich, da zumindest drei von ihnen in klar voreinander abgetrennten geographischen Räumen vorkommen.

Fleißig wie die Beien

Im gesamten Tiroler Oberland, westlich und südlich von Innsbruck und auch in Osttirol sieht man der Beie zu, wie sie von Blume zu Blume fliegt. Im Mittelhochdeutschen liegt mit bîe eine Form vor, die dem heutigen dialektalen Beie bereits recht nahe kommt. Durch die neuhochdeutsche Diphthongierungauch ''Diphthongierung''. Lautveränderung, die ab dem 12. Jahrhundert auftrat. Dabei wurden die langen Vokale ''i'', ''ü'' und ''u'' zu den Zwielauten ''ei'', ''eu'' und ''au''. Dieser Wandel trat in den alemannischen Dialekten (also vor allem in Vorarlberg, der Schweiz und Baden-Württemberg) nicht ein. Hier heißt z.B. ''mein Haus'' noch heute ''min Hus''. wurde schließlich das lang gesprochene î zum ei und damit zum formvollendeten Beie.[1]

Geradezu poetisch

Nur im Außerfern, dort aber sehr populär, tritt die Imme als Honigproduzentin auf. Eine Bezeichnung, die man wohl vor allem aus der Dichtung kennt. In Kreuzworträtseln wird sie häufig über poetisch: Biene abgefragt, damit stellt sie sich in eine Reihe mit Leu ‚Löwe‘ und Emse ‚Ameise‘. Das im Althochdeutschen belegte Wort imbi, von dem Imme abstammt, hatte ursprünglich die Bedeutung ‚Bienenschwarm‘. Erst in spätmittelhochdeutscher Zeit trat neben diese Bedeutung auch ‚Biene‘. Nur durch das Geschlecht lässt sich der Schwarm (der Imme) vom Insekt (die Imme) unterscheiden. Um sich die Aussprache zu erleichtern, wurde das b in imbi an das vorangehende m angepasst. Dies muss recht früh geschehen sein, denn im Mittelhochdeutschen gab es bereits die Nebenform imme.[2]

Da fliegt die/der Imp

Östlich von Innsbruck und im gesamten Tiroler Unterland ist neben Fliegen, Hummeln und anderen Insekten die Imp (oder der Imp) für die Bestäubung der Blumen zuständig. Diese Bezeichnung geht wie Imme auf althochdeutschDie älteste, schriftlich nachweisbare Vorstufe der heutigen deutschen Sprache. Die althochdeutsche Zeit reicht vom Beginn der schriftlichen Überlieferung (6./7. Jahrhundert n.Chr.) bis Mitte/Ende des 11. Jahrhunderts n.Chr. imbi zurück. Hier ist jedoch – anders als bei Imme – das p noch vorhanden. Nur im Zillertal ist das e am Wortende bis heute erhalten geblieben, dort gibt es die Form Impe. Welches Geschlecht Imp hat, ist von Region zu Region unterschiedlich, es überwiegt mit die Imp die weibliche Form.[3]

Bekannt geht es auch

Wie es typisch für BallungsräumeMenschen aus verschiedenen Regionen treffen in Ballungsräumen aufeinander, indem sie etwa zur Arbeit pendeln. Nicht nur die geografische Herkunft ist verschieden, sondern auch die sprachliche, denn jeder bringt seinen eigenen Dialekt mit. Häufig verlaufen außerdem auch Hauptverkehrswege durch diese Gebiete. Um verstanden zu werden, passt man sich sprachlich an, indem man Wörter weniger dialektal ausspricht oder Varianten verwendet, die regionsübergreifend bekannt sind. ist, verwendet man dort ein standardnahes Wort: In Gemeinden in direkter Nähe zu Innsbruck sammelt nämlich die Biene Pollen und Nektar. Im Mittelhochdeutschen wurde das i in bine noch kurz ausgesprochen – es gab dort aber auch schon lang gesprochene Nebenformen – heute ist das i sowohl im Dialekt als auch im Standarddeutschen lang.[4]

Ein geregeltes Zusammentreffen

In Zentrum Tirols und damit wieder rund Innsbruck treffen drei der vier Bezeichnungsmöglichkeiten, Beie, Imp und Biene, aufeinander. Deutlich wird hier, dass immer nur zwei Formen gemeinsam auftreten können und eine davon zwangsläufig das standardnahe Biene sein muss.

Karte/Kartentext: Julia Baumgartner

Literatur
  1. [DWBGrimm, Jacob/Grimm, Wilhelm (1854–1961): Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16. Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig: S. Hirzel., Bd. 1, Sp. 1367 | SchöpfSchöpf, Johann Baptist (1866): Tirolisches Idiotikon. Wagner'sche Universitätsbuchhandlung: Innsbruck., S. 34]
  2. [DWB, Bd. 10, Sp. 2065–2066 | Köbler²Köbler, Gerhard (1974): Althochdeutsch-lateinisches Wörterbuch. Göttingen/Zürich/Frankfurt: Musterschmidt-Verlag., S. 89 | PfeiferPfeifer, Wolfgang (2005): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Ungekürzte, durchges. Ausg.; 8. Aufl. München: Dt. Taschenbuch-Verl., S. 573 | KlugeKluge, Friedrich (2002): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Kluge. Bearb. von Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Aufl. Berlin/New York: de Gruyter., S. 435 | LexerLexer, Matthias (1872–1878): Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig: S. Hirzel., Bd. 1, Sp. 1421]
  3. [Lexer, Bd. 1, Sp. 1421 | SchatzSchatz, Josef (1993) (1955–1956): Wörterbuch der Tiroler Mundarten. Für den Druck vorbereitet von Karl Finsterwalder. Unveränderter Nachdruck der Ausgaben von 1955 und 1956. 2 Bde. Innsbruck: Universitätsverlag Wagner (= Schlern-Schriften 119–120)., S. 310]
  4. [Pfeifer, S. 133 | Kluge, S. 121]
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KartentitelIn Tirol kommt der Honig nicht nur von den Bienen
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