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Erstellt von David am 12. Februar 2016, um 14:54 Uhr

Aus Tiroler Dialektarchiv

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Bedeutung Zehe (nur Unterland)
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Auf Zehenspitzen durchs Unterland
Diese etwas andere Karte legt ihren Fokus auf das Tiroler Unterland. An der Aussprache von Zehe als Zeach(e) oder Zeech lässt sich geographisch sehr genau zuordnen, woher der Sprecher stammt, an dessen Fuß sich besagte Zehe befindet.

Steig mir nicht auf die Zeachn

So, oder so ähnlich, würde man sich im Gedränge äußern, wenn man sich westlich von Wörgl aufhält. Gemeinhin wird die Grenze zwischen südbairischen und südmittelbairischen Mundarten bei der Zillereinmündung angesetzt. Für das vorliegende Beispiel würde das bedeuten, dass es westlich ebendieser Zillereinmündung Zeach(e) heißt, östlich davon aber Zeech. Zeach(e) wäre dabei die südbairische, Zeech die südmittelbairische Form.[1] Der besagte Bereich ist aber nicht so einheitlich, wie es auf den ersten Blick scheint. Wirft man einen genaueren Blick auf den Zwielaut ea, soe zeigt sich, dass das Zeach(e)-Gebiet noch einmal zweigeteilt ist. Hört man ganz genau hin, so wird man im Achen- und Zillertal dazu aufgefordert, jemandem nicht auf den Zeach(e) zu steigen, während man im Inntal jemandem besser nicht auf den Zäach(n) steigt. Dass so minimale Ausspracheunterschiede geographisch derart eindeutig zuordenbar sind, ist erstaunlich. Es zeigt, wie fein das Gehör der Dialektsprecher ist und oft sind es genau diese kleinen Unterschiede, die es dialektkompetenten Sprechern – unbewusst – noch immer ermöglichen, Personen aufgrund ihrer Aussprache ganz bestimmten Regionen zuzuordnen.

Etwas im kleinen Zeech spüren

Östlich von Breitenbach am Inn kommt ausschließlich Zeech vor, wobei es so gut wie keine Variation in der Aussprache gibt. Im besagten Gebiet zeigt sich also ein sehr einheitliches Bild. Erst im angrenzenden Pinzgau geht dieses ee allmählich in ei über, sodass es dort nicht mehr Zeech, sondern Zeich heißt. Der Gegensatz zwischen ea in den südbairischen Mundarten sowie ee bzw. teilweise ei in den südmittelbairischen Mundarten ist dabei ein typisches Unterscheidungsmerkmal der unterschiedlichen Mundarten, der vorliegende Begriff Zehe ist dafür ein sehr gutes Beispiel.

Die Finger des Fußes?

Trotz der lautlichen Unterschiede gehen beide genannten Varianten auf mittelhochdeutschEine Vorstufe der heutigen deutschen Sprache, die in etwa zwischen 1050 und 1350 gesprochen wurde. Mittelhochdeutsch steht also zwischen dem älteren Althochdeutschen und dem heute gesprochenen Neuhochdeutschen. zêhe zurück. In den südmittelbairischIn Österreich werden - mit Ausnahme Vorarlbergs und Teilen des Außerferns - bairische Dialekte gesprochen. Diese lassen sich in nordbairische, mittelbairische und südbairische Dialekte unterscheiden, die jeweils eigenständige Merkmale und Besonderheiten aufweisen. Während nordbairische Dialekte nur im Freistaat Bayern (Baiern bezeichnet stets bairische Sprache und Kultur und hat mit dem Freistaat Bayern nur bedingt zu tun) gesprochen werden, sind süd- und mittelbairische Dialekte in Österreich weit verbreitet. Südbairische Dialekte werden dabei vor allem in Nordtirol westlich der Zillereinmündung, in Süd- und Osttirol sowie in Kärnten und der südöstlichen Steiermark gesprochen. Mittelbairische Dialekte werden in den nordöstlich davon liegenden Gebieten gesprochen. Klassisches Mittelbairisch hört man vor allem in Oberösterreich, Niederösterreich, dem nördlichen Burgenland und dem nördlichen Salzburger Land. Das südliche Salzburger Land (Pinzgau, Pongau und Lungau) sowie das Nordtiroler Unterland östlich der Zillereinmündung stellen ein Übergangsgebiet zwischen Südbairisch und Mittelbairisch dar, das als Südmittelbairisch bezeichnet wird. Mundarten Nordtirols ist – wenn man den Selbstlaut ê betrachtet – also der mittelhochdeutsche Lautstand erhalten geblieben (sodass aus mittelhochdeutsch zêhe hier Zeech wurde), während sich im westlich angrenzenden Südbairischen der Zwielautauch ''Diphthong''. Zwei aufeinanderfolgende unterschiedliche Vokale, die als Einheit erfasst und nicht getrennt werden können. Im Deutschen treten folgende Diphthonge auf, die auch unter der Bezeichnung Zwielaute bekannt sind: ''ei''/''ai''/''ay''/''ey'', ''au'', ''äu''/''eu'', ''ui''. ea herausbildete (sodass aus mittelhochdeutsch zêhe hier Zeach(e) wurde). Die unterschiedliche Entwicklung von mittelhochdeutsch ê kann als ein Hauptunterscheidungsmerkmal der bairischen Hauptdialekte Nord-, Mittel- und Südbairisch betrachtet werden. Ungefähr ab 1200 entwickelte sich dieses ê in den nordbairischen – und teilweise auch mittelbairischen – Mundarten zu ei, in den mittel- und südmittelbairischen Mundarten blieb langes ee erhalten, während in den südbairischen Mundarten ea entstand. Dies gilt nicht nur beim vorliegenden Beispiel Zehe, sondern auch bei allen anderen Wörtern, in denen der entsprechende mittelhochdeutsche Vokal ê enthalten ist, z. B. Schnea-Schnee-Schnei aus mittelhochdeutsch snê ‚Schnee‘.[2]

Worauf Zehe sich letztlich zurückführen lässt, was also die Urbedeutung dieser Bezeichnung war, lässt sich nicht ohne Weiteres klären. Eventuell ließe sich ein Zusammenhang mit einer Bezeichnung für ‚zeigen‘ herstellen, womit die Zehe ‚die Zeigerin‘ wäre. In diesem Fall müsste man davon ausgehen, dass die Zehen als ‚Finger des Fußes‘ gesehen worden wären. Dieser Ansatz ist jedoch unsicher.[3]

Karte/Kartentext: Julian Blassnigg

Literatur
  1. [Kranzmayer § 10b2
  2. [Kranzmayer § 10b1]
  3. [KlugeKluge, Friedrich (2002): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Kluge. Bearb. von Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Aufl. Berlin/New York: de Gruyter., S. 1005 | PfeiferPfeifer, Wolfgang (2005): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Ungekürzte, durchges. Ausg.; 8. Aufl. München: Dt. Taschenbuch-Verl., S. 1595]
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