Zuletzt besucht:
Erstellt von Julia am 18. Mai 2017, um 12:29 Uhr

Aus Tiroler Dialektarchiv

Wechseln zu: Navigation, Suche
Bedeutung Spinnennetz
Bemerkung
Weitere Informationen
  • Schaufensterseite: Ja

Inhaltsverzeichnis

Angehängte Dateien


Neue Datei hochladen


Belege (unkategorisiert)

Beleg Ort Originalbeleg Vereinfachter Beleg Exploratorionsvermerk
Beleg 7060-0/52 Österreich Osttirol Lienz Außervillgraten Außervillgraten a wílase rep.; f.; Spinnweben + Staub usw.
… weitere Ergebnisse


Standardisierte Stichwörter


Karte

Die Karte wird geladen …
Die Belege gelten nur für den Erhebungszeitraum.
Wo die Spinne haust
Die Vorstellungen, wo Spinnen wohnen und womit sie ihre Beute fangen, gehen in Tirol weit auseinander. Je nach Gebiet ziehen sie sich in ihre Netze, Nester, Häuser, Gespinste, Weben und Häute zurück und lauern dort ihren Opfern auf.

Erwartungsgemäß vernetzt

Dass die Spinne ihr Leben dem Bauen und Ausbessern von Netzen widmet, und damit auch in einem solchen zu finden ist, scheint auch in Tirol eine weit verbreitete Ansicht zu sein. Wie das Tier genannt wird, das sprachlich vor das Netz (oder auch vor die anderen Konzepte Nest, Haus, Gespinst, Webe, Haut) gestellt wird, ist von Region zu Region unterschiedlich (siehe dazu die Spinnen-Karte). Das Wort Netz ist bereits im 8. Jahrhundert im Althochdeutschen mit nezzi belegt. Ihm liegt eine Bedeutung zugrunde, die man mit ‚drehen, knoten, knüpfen‘ umschreiben kann. Zugleich ist es mit Nessel und nesteln verwandt.[1]

Tier und Wohnort, einerlei

Spinnweppen/-wetten/-weben hängen vor allem im Außerfern, in Osttirol und stellenweise im übrigen Tirol mit einer Häufung von West nach Ost von Lampenschirmen und in Zimmerecken. All diese Formen gehen auf mittelhochdeutschEine Vorstufe der heutigen deutschen Sprache, die in etwa zwischen 1050 und 1350 gesprochen wurde. Mittelhochdeutsch steht also zwischen dem älteren Althochdeutschen und dem heute gesprochenen Neuhochdeutschen. spinnewëppe oder spinnewët oder eine Mischform zurück, das ‚Spinnengewebe‘ bedeutet. Hinter -wett steckt das mittelhochdeutsche Wort wëten, wëtten‚ binden, verbinden‘, hinter -webe/-weppe ‚Webfaden, Gewebe‘. Dass die Spinne als geschickte Weberin wahrgenommen wird, zeigt sich vor allem darin, dass sowohl sie selbst als auch das Produkt ihrer handwerklichen Fertigkeit mit ein und demselben Wort bezeichnet werden, wie diese Karte und die Karte ‚Spinne‘ zeigen. Während die mittelhochdeutschen Formen daz spinnewëppe und daz spinnewët noch sächliches Geschlecht hatten, kennt man sie heute fast nur mehr in ihren weiblichen Formen die Spinnweppe, die Spinnwette. Das Spimmewepp in Stanzach beispielsweise ist damit eher die Ausnahme als die Regel. Für diese Änderung scheint vor allem die Gleichsetzung von Spinne und Webe ausschlaggebend gewesen zu sein. Man vermutet, dass das weibliche Geschlecht von Spinne einfach auf Webe übertragen wurde.[2]

Ein Haus im Haus und das geht unter die Haut

Faden um Faden baut die Spinne ihr Haus. Diese Vorstellung von einem Spinnenhaus ist vor allem rund um Imst und bis hinaus nach Bichlbach verbreitet. Haus geht auf das mittelhochdeutsch hûs zurück, das durch die neuhochdeutsche Diphthongierungauch ''Diphthongierung''. Lautveränderung, die ab dem 12. Jahrhundert auftrat. Dabei wurden die langen Vokale ''i'', ''ü'' und ''u'' zu den Zwielauten ''ei'', ''eu'' und ''au''. Dieser Wandel trat in den alemannischen Dialekten (also vor allem in Vorarlberg, der Schweiz und Baden-Württemberg) nicht ein. Hier heißt z.B. ''mein Haus'' noch heute ''min Hus''. zu Haus wurde. Man nimmt an, dass sich die sprachliche Wurzel von Haus und Haut die Bedeutung ‚bedecken, verhüllen‘ teilten. Auch heute muss Haus nicht zwingend ein Gebäude bezeichnen, sondern kann auch auf Objekte mit ähnlichem Zweck übertragen werden, was auch Tierbehausungen einschließt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Schneckenhaus. Am südwestlichen Rand des Spinnenhaus-Gebietes wiederum (im Oberen Gericht ohne das Kaunertal) wird das Spinnenhaus zur Spinnenhaut.[3]

Kein Vogel, aber doch ein Nest

Mit einem Vogel hat die Spinne in manchen Gebieten Tirols mehr als nur das Eierlegen und Insektenfressen gemeinsam. Im Ötztal und im vorderen Paznaun lebt die Spinne nämlich in einem Spinnennest. Ursprünglich bedeutet Nest nichts anderes als ‚Ort, an dem man niedersitzt, nistet‘. Geht man von einer weit gefassten Bedeutung des Wortes aus, zählt man alle Rückzugsorte und Behausungen von Tieren als Nester, in denen sie wohnen und/oder ihre Jungen aufziehen.[4]

Doch nicht ganz so gruselig

Kommt man in den Süden und Südwesten Osttirols, steigt der Gruselfaktor. Dort endet das Wort für ‚Spinnennetz‘ nämlich auf Gespinst, Gespanst oder gar Gespenst. Ganz nüchtern betrachtet hat dieses natürlich nichts mit Übersinnlichem zu tun. Die zwei letzteren Formen sind als Abwandlungen von Gespinst zu sehen, das in einer älteren Variante und noch nicht entrundet übrigens Gespünst lautete. Im Mittelhochdeutschen ist gespunst belegt, das als Ableitung von spinnen ‚das Spinnen, die Arbeit des Spinnens‘ bedeutete. Es hat sich die Bedeutung verändert. Früher wurde damit das Spinnen selbst bezeichnet, heute meint man mit Gespinst das Resultat dieser Arbeit. Dass daraus Formen wie Gespenst entstehen können, ist ohnehin leicht nachvollziehbar. Die lautliche Ähnlichkeit und der Umstand, dass Spinnen bekanntermaßen auch für Gruselmomente sorgen können, hat aus Gespinst das naheliegende Gespenst werden lassen.[5]

Karte/Kartentext: Baumgartner


  1. [DWBGrimm, Jacob/Grimm, Wilhelm (1854–1961): Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16. Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig: S. Hirzel., Bd. 13, Sp. 635 | SchöpfSchöpf, Johann Baptist (1866): Tirolisches Idiotikon. Wagner'sche Universitätsbuchhandlung: Innsbruck., S. 466 | PfeiferPfeifer, Wolfgang (2005): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Ungekürzte, durchges. Ausg.; 8. Aufl. München: Dt. Taschenbuch-Verl., S. 920 | KlugeKluge, Friedrich (2002): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Kluge. Bearb. von Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Aufl. Berlin/New York: de Gruyter., S. 650]
  2. [DWB, Bd. 16, Sp. 2539 | Schöpf, S. 689 | Kluge, S. 867]
  3. [LexerLexer, Matthias (1872–1878): Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig: S. Hirzel., Bd. 1, Sp. 1399 | DWB, Bd. 10, Sp. 640 und 644 und 701 | Pfeiffer, S. 516]
  4. [DWB, Bd. 13, Sp. 621–622 | Lexer, Bd. 2, Sp. 58 | Kluge, S. 650 | Pfeifer, S. 919–920]
  5. [DWB, Bd. 5, Sp. 4155–4156 | Lexer, Bd. 1, Sp. 925 | Pfeifer, S. 441]
Fakten zu „Bedeutung 26RDF-Feed
BedeutungSpinnennetz +
Kartentext
KartentitelWo die Spinne haust
Schaufensterwahr +
SeitentitelSpinnennetz +