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Erstellt von Julia am 27. Februar 2017, um 12:37 Uhr

Aus Tiroler Dialektarchiv

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Allerlei Mädchenkram
In Tirol geht es ganz schön bunt zu, wenn man die Aufmerksamkeit seiner Tochter, Freundin oder eines Mädchen auf sich ziehen will. So rufen Eltern, Großeltern, Freunde und Verwandte um die Wette nach der Gitsche, der Dirn, dem Dirndl, dem Madel, dem Feel, der Mötz und der Maigge.

Komm her, Gitsche!

Mit Puppen spielt im Süden Osttirols gehäuft die Gitsche, sonst kommt sie in Tirol nur vereinzelt vor, sie ist aber beinahe in jedem Tiroler Bezirk mit einer Nennung vertreten und zudem in Südtirol weit verbreitet. Wovon sich Gitsche aber ableiten lässt, ist nicht klar. Es werden jedoch einige Vermutungen angestellt: Gitsche könnte von gätsch ‚übermütig, mutwillig‘ oder gätschen ‚tändeln‘ kommen, aber auch von Gatsch ‚körperlich und geistig unreifes Mädchen‘ abstammen. Auch ein Zusammenhang mit Gittel ‚junge Ziege‘ wird nahegelegt, da das bairische Heppen ebenfalls sowohl auf die Ziege als auch auf ein Mädchen bezogen sein kann. Mancherorts haftet dieser Bezeichnung aber Negatives an.[1]

Kein leichtes Mädchen

Im Lechtal und im hinteren Defereggental läuft die Dirn durch Haus und Hof. Hinter dieser Bezeichnung steckt das althochdeutsche diorna ‚Mädchen, Jungfrau, Dienerin‘. Im Mittelhochdeutschen existierte mit dierne, dirn schon eine Form, die dem heutigen Wort schon sehr nahe kam. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts ist eine Bedeutungsverschlechterung dieses Wortes belegt, in dem es zumindest in der StandardspracheBezeichnung für eine Sprache, die überregionale Gültigkeit besitzt, in vielen Kontexten sozialer Interaktion akzeptiert und erwünscht ist und mittels eines Regelwerks normiert ist. Im deutschen Sprachraum wird sie gemeinhin auch mit Hochdeutsch oder im wissenschaftlichen Kontext mit Standarddeutsch gleichgesetzt. zur Bezeichnung für ‚Prostituierte‘ herabsank.[2]

Mit und ohne Tracht

Mit Dirndl ruft man im Zillertal, im Norden Osttirols, dem Inn entlang von Innsbruck abwärts, im Brixental, in Teilen des Leukentals und im Sölllandl nach einem jungen Mädchen. Dieses Wort ist die Verkleinerungsform von Dirn und war im Mittelhochdeutschen mit dirnelîn ‚allgemein für Mädchen‘ belegt.[3] Das d in der Wortmitte wurde als zusätzlicher Stopp bei der Aussprache zwischen den Lauten n und l eingeschoben. Dass das Kleidungsstück und das Mädchen sich eine Bezeichnung teilen, kommt nicht von ungefähr. Es hat wohl eine Übertragung des Begriffes stattgefunden.

Ein Madel für alles

Ein hübsches, großes, süßes oder freches Madel findet man im gesamten Tiroler Oberland, in Teilen des Außerferns, im Tiroler Mittelland und im Zillertal. Wie die Karte zeigt, wird dieses Wort zur Bezeichnung von ‚Mädchen‘ in Tirol am häufigsten verwendet. Madel und seine Varianten gehen auf das mittelhochdeutsche Wort magetlîn zurück und sind demnach Verkleinerungsformen von maget ‚unfreies Mädchen, Dienerin, Magd‘.[4]

Die Maigge im Grenzgebiet

Auch in Galtür spielen Buben und Maiggen miteinander. Letztere Bezeichnung stammt wie Madel von mittelhochdeutschEine Vorstufe der heutigen deutschen Sprache, die in etwa zwischen 1050 und 1350 gesprochen wurde. Mittelhochdeutsch steht also zwischen dem älteren Althochdeutschen und dem heute gesprochenen Neuhochdeutschen. magetlîn ab.[5]

Feelt sie dir?

Frischgebackene Eltern freuen sich im Tannheimertal und im vordersten Lechtal über einen Buben oder ein Feel/Fechl. Welchen Ursprung die Bezeichnung für Mädchen hat, ist nicht eindeutig. Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass das Wort eine Ableitung von lateinischDie älteste, schriftlich überlieferte romanische Sprache. Aus der gesprochenen Variante, die auch als ''Vulgärlatein'' bezeichnet wird, entwickelten sich die heute noch gesprochenen romanischen Sprachen, so etwa Französisch, Spanisch, Portugiesisch oder Italienisch. filia ‚Tochter‘ zu sehen ist. Vermutungen legen auch eine Verbindung mit Fohlen nahe, da es diese Übereinstimmung auch in anderen Sprachen gibt. Da man im Vinschgau auch die Bezeichnung Focha ‚Weibsperson‘ kennt, könnten Feel und Feechl davon abstammen, was aber durch die räumliche Trennung als eher unwahrscheinlich gilt.[6]

Motz nicht, Mötz

Der Mötz laufen die Buben in der Wildschönau, im Sölllandl, im Brixental und im Teilen des Leukentals nach. Mötz ist vermutlich eine Koseform von Mechthild, die schließlich als Gesamtbezeichnung auf Mädchen übertragen wurde. Im Mittelhochdeutschen existierte das Wort metzelîn, das sich bereits auf ein Dorfmädchen bezog.[7]

Karte/Kartentext: Julia Baumgartner

Literatur
  1. [DWBGrimm, Jacob/Grimm, Wilhelm (1854–1961): Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16. Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig: S. Hirzel., Bd. 7, Sp. 7571 | SchöpfSchöpf, Johann Baptist (1866): Tirolisches Idiotikon. Wagner'sche Universitätsbuchhandlung: Innsbruck., S. 191–192]
  2. [DWB, Bd. 2, Sp. 1185–1188 | PfeiferPfeifer, Wolfgang (2005): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Ungekürzte, durchges. Ausg.; 8. Aufl. München: Dt. Taschenbuch-Verl., S. 229 | KlugeKluge, Friedrich (2002): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Kluge. Bearb. von Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Aufl. Berlin/New York: de Gruyter., S. 203]
  3. [DWB, Bd. 2, Sp. 1188–1189]
  4. [DWB, Bd. 12, Sp. 1426–1427 und 1429 | SchatzSchatz, Josef (1993) (1955–1956): Wörterbuch der Tiroler Mundarten. Für den Druck vorbereitet von Karl Finsterwalder. Unveränderter Nachdruck der Ausgaben von 1955 und 1956. 2 Bde. Innsbruck: Universitätsverlag Wagner (= Schlern-Schriften 119–120)., S. 408 | LexerLexer, Matthias (1872–1878): Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig: S. Hirzel., Bd. 1, Sp. 2008]
  5. [Idiotikon(1881–) Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache., Bd. 4, Sp. 76–81]
  6. [Schöpf, S. 9 | DWB, Bd. 3, Sp. 1869 und Bd. 4, Sp. 363–364 | SWBFischer, Hermann/Pfleiderer, Wilhelm (1904): Schwäbisches Wörterbuch. 6 Bde., Tübingen: Verlag der H. Laupp'schen Buchhandlung., Bd. 2, Sp. 1031–1032 | König, S. 167]
  7. [DWB, Bd. 12, Sp. 2149–2150 | Lexer, Bd. 1, Sp. 2126–2127 | Pfeifer, S. 868 | Kluge, S. 617]
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