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Aus Tiroler Dialektarchiv

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=== '''Das sich schnell bewegende Tier''' ===
 
=== '''Das sich schnell bewegende Tier''' ===
Und die -''horn''- und -''hörnlein''-Formen? Man ist ja geneigt zu glauben, das Eichhörnchen hätte etwas mit einem Horn zu tun – sprachgeschichtlich natürlich, denn wir wissen, dass das Eichhörnchen ganz offensichtlich kein Horn hat. Der sprachgeschichtliche Ur-Ur-Ur-…-Großvater (oder die Ur-Ur-Ur-…-Großmutter) des Eichhörnchens ist der oder das *''aikurna'' aus dem Germanischen, was so viel bedeutete wie: ‚etwas, das sich heftig bewegt‘<ref>[Kluge, S. 230]</ref> (vgl. *''aig''- ‚sich heftig bewegen‘<ref>[WBÖ, S. 1407]</ref>). Es heißt also umgangssprachlich nicht umsonst ‘‘flink wie ein Eichhörnchen’‘. Von einem Horn ist in der ursprünglichsten, rekonstruierten Form *''aikurna'' also nichts zu entdecken. Das ‘‘Horn’‘ im ‘‘Eich-Hörnchen’‘ dichtete man dem flinken, kleinen Tier erst später an, als man ''eichorn'' bzw. dann ''Eichern'' nicht mehr verstand und sich seinen eigenen Reim auf den Ursprung des Wortes machte, indem man kurzerhand ''Horn'' hineininterpretierte.<ref>[DWB, Bd. 3, Sp. 81]</ref>
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Und die -''horn''- und -''hörnlein''-Formen? Man ist ja geneigt zu glauben, das Eichhörnchen hätte etwas mit einem Horn zu tun – sprachgeschichtlich natürlich, denn wir wissen, dass das Eichhörnchen ganz offensichtlich kein Horn hat. Der sprachgeschichtliche Ur-Ur-Ur-…-Großvater (oder die Ur-Ur-Ur-…-Großmutter) des Eichhörnchens ist der oder das *''aikurna'' aus dem Germanischen, was so viel bedeutete wie: ‚etwas, das sich heftig bewegt‘<ref>[Kluge, S. 230]</ref> (vgl. *''aig''- ‚sich heftig bewegen‘<ref>[WBÖ, S. 1407]</ref>). Es heißt also umgangssprachlich nicht umsonst "flink wie ein Eichhörnchen". Von einem Horn ist in der ursprünglichsten, rekonstruierten Form *''aikurna'' also nichts zu entdecken. Das "Horn" im "Eich-Hörnchen" dichtete man dem flinken, kleinen Tier erst später an, als man ''eichorn'' bzw. dann ''Eichern'' nicht mehr verstand und sich seinen eigenen Reim auf den Ursprung des Wortes machte, indem man kurzerhand ''Horn'' hineininterpretierte.<ref>[DWB, Bd. 3, Sp. 81]</ref>
  
 
Im Deutschen ist übrigens der Ausdruck ''Eichhorn'' bis ins 19. Jahrhundert allgemein gebräuchlich. Erst cirka Mitte des 19. Jahrhunderts war die Rückbildung auf die Verkleinerungsform ''Hörnchen'', die es bereits seit dem 17. Jahrhundert gab, geläufig. Und noch viel später wurde das ''Hörnchen'' schließlich zum Begriff für eine ganze Gattungsfamilie aller eichhörnchenähnlichen Nager wie Baum-, Erd- oder Flughörnchen<ref>[Pfeifer, S. 264 und Kluge, S. 230]</ref>. Dabei gibt es den Ausdruck ''Eichhörnchen'' so in keinem einzigen Tiroler Dialekt, sehr wohl aber in anderen Verkleinerungsformen wie beim ''Eichhörnlein'' und dem ''Eichernle''.
 
Im Deutschen ist übrigens der Ausdruck ''Eichhorn'' bis ins 19. Jahrhundert allgemein gebräuchlich. Erst cirka Mitte des 19. Jahrhunderts war die Rückbildung auf die Verkleinerungsform ''Hörnchen'', die es bereits seit dem 17. Jahrhundert gab, geläufig. Und noch viel später wurde das ''Hörnchen'' schließlich zum Begriff für eine ganze Gattungsfamilie aller eichhörnchenähnlichen Nager wie Baum-, Erd- oder Flughörnchen<ref>[Pfeifer, S. 264 und Kluge, S. 230]</ref>. Dabei gibt es den Ausdruck ''Eichhörnchen'' so in keinem einzigen Tiroler Dialekt, sehr wohl aber in anderen Verkleinerungsformen wie beim ''Eichhörnlein'' und dem ''Eichernle''.

Aktuelle Version vom 30. September 2019, 16:02 Uhr

Bedeutung Eichhörnchen
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Flinker Geselle auf Bäumen
Wer gerne mit seinen Tirolerisch-Kenntnissen geigt, sagt am besten Oachkatzlschwoaf (Eichkätzchenschwanz). Das kleine, wuschelige, von Baum zu Baum hüpfende Tier mit besagtem Schwanz, das uns im Wald und in hiesigen Parks begegnet, trägt in verschiedenen Tiroler Regionen zum Teil ganz unterschiedliche Bezeichnungen.

Insgesamt existieren für das Eichhörnchen im Tiroler Dialekt gleich mehrere Oberbegriffe (und zwar fünf, mit verschiedenen Ausprägungen): vom Eichkätzlein, dem Eichhorn, Eicher, Eicherkätzchen bis hin zum Eichent. Konkret wird in Tirol am häufigsten Oachkatzl (Eichkätzlein) und Oacher (Eicher) bzw. die Verkleinerungsform Oacherl(e) (Eicherl) gesagt, wenn vom Eichhörnchen die Rede ist – sowohl in Nordtirol als auch in Osttirol. Unterschiede bestehen hier vor allem in der Aussprache. Das Oachkatzl und der Oacher werden im oberen Osttiroler Pustertal sowie im Paznaun- und Stanzertal in Nordtirol mit langem Anfangs-a ausgesprochen[1]. Es gibt dort also Formen wie Ach(er)katzl oder Acher. Und dies nicht erst seit heute, sondern schon seit vielen Hunderten Jahren. Denn lautgeschichtlich entwickelte sich in diesen Gebieten der mittelhochdeutsche Zwielautauch ''Diphthong''. Zwei aufeinanderfolgende unterschiedliche Vokale, die als Einheit erfasst und nicht getrennt werden können. Im Deutschen treten folgende Diphthonge auf, die auch unter der Bezeichnung Zwielaute bekannt sind: ''ei''/''ai''/''ay''/''ey'', ''au'', ''äu''/''eu'', ''ui''. ei nicht zu åa, sondern zu langem a, sodass aus der mittelhochdeutschen Grundlage eich- hier ach-Formen wurden. Eine interessante Entwicklung vollzog sich im Osttiroler Defereggental, wo der mittelhochdeutsche Zwielaut ei zu å wurde[2].

(Dialekt-)Berge überwinden

Diese lautlichen Unterschiede kommen nicht von ungefähr, gab es doch zwischen verschiedenen Tälern früher beispielsweise rege Handelsbeziehungen und dies hatte auch Auswirkungen auf den Dialekt. Berg- oder Passübergänge verbanden und verbinden etwa Außervillgraten in Osttirol mit Defereggen. Es ist also nicht verwunderlich, wenn wir hier ähnliche lautliche Erscheinungen vorfinden: In Außervillgraten heißt es aachakhatsl, in Defereggen etwa ååchkhatsl. Diesseits und jenseits gibt es also keinen Zwielaut åa, sondern den einfachen langen Laut aa bzw. åå.[3]

Auch das Pustertal auf Osttiroler Seite ist nach wie vor sprachlich mit dem "Westen", mit Südtirol, verbunden. Dabei hatten die Pustertaler auf Südtiroler Seite sprachlichen Einfluss auf ihren Nachbarn im oberen Pustertal auf Osttiroler Seite. Im angrenzenden Großraum Innichen beispielsweise wurde die lautgeschichtliche Entwicklung des angesprochenen mittelhochdeutschen Zwielauts ei zu langem a ebenso mitgemacht. Deshalb sagt man zum Beispiel in Sillian im Osttiroler Pustertal aachakhatsl, ebenso im drei Kilometer entfernten Außervillgraten im Villgratental, nicht aber im weiter entfernten Innervillgraten am Talende des Villgratentales. Dort ist das åachakhatsl bzw. der oacha geläufig. Denn das in früheren Zeiten gänzlich verkehrsferne Innervillgraten machte dialektgeschichtlich einige Entwicklungen schlichtweg nicht mit[4].

Vom Eichern über das Eichent zum Eicher(l)

Am Anfang war … das althochdeutsche Wort eichorno, das sich im Mittelhochdeutschen dann zu eichorn entwickelte. Und von da ist der Weg nicht mehr weit zur Form eichern bzw. mundartlich åachern. Alle heutigen Eichern-Dialektformen kommen also dem ursprünglichen Ausdruck für Eichhörnchen am nächsten. Dazu gehören im Übrigen auch die Åachang-Formen im Zillertal.[5] Genau am Ziller verlief im Altertum und im frühen Mittelalter die politische Grenze zwischen der römischen Provinz Raetia im Westen und dem mit Rom verbündeten Königreich Noricum im Osten.[6] Das hat eben auch lautgeschichtliche Konsequenzen und es verwundert nicht, dass die Zillertaler – zum Beispiel in Stumm, Aschau oder Schwendau im Zillertal – vom åachang (Eichang) reden, wo in anderen Regionen åachern gesagt wird. Die Lautfolge -ern entwickelte sich hier zum -ang.

Eine weitere lautliche Besonderheit wiederum ist im Tiroler Unterland zu finden: der bzw. das Oachant (Eichent). So etwa in der Wildschönau, Hopfgarten im Brixental, Brixen im Thale, Fieberbrunn und Söll. Man muss wissen, dass der heutige Dialektausdruck Oachant auf die Form eichernt zurückgeht, und das wiederum ist eine t-Erweiterung des ursprünglichen mittelhochdeutschen Wortes eichorn.[7]

Wenn Wörter erweitert werden können, dann können sie auch verkürzt werden. Und genau das geschah mit den in Tirol weit verbreiteten Eicher-Varianten (samt den dazugehörigen Verkleinerungsformen). Das sind alles lautliche Ausprägungen, die eine Verkürzung aus mittelhochdeutschEine Vorstufe der heutigen deutschen Sprache, die in etwa zwischen 1050 und 1350 gesprochen wurde. Mittelhochdeutsch steht also zwischen dem älteren Althochdeutschen und dem heute gesprochenen Neuhochdeutschen. eichorn bzw. der nächsten Entwicklungsstufe eichern darstellen.[8]

Keine einfache Sache, das mit den Dialekten …

Im Laufe der sprachgeschichtlichen Entwicklung haben sich in Tirol übrigens auch die heute sehr geläufigen Dialektformen Eichkätzlein und Eicherkätzchen als Synonyme zum Eichhörnchen gebildet. Sie sind Verkleinerungsformen des im binnenbairischen Raum verbreiteten Ausdrucks Eichkatze[9]. Man verglich also das Tier mit einer Katze, in anderen deutschen Sprachgebieten auch mit einem Kater (Eichkater)[10] bzw. mit einem Hermelin (Eichhermel)[11]. Ähnliches finden wir etwa auch beim im unteren Oberinntal geläufigen Wort Schermaus für den Maulwurf.

Das sich schnell bewegende Tier

Und die -horn- und -hörnlein-Formen? Man ist ja geneigt zu glauben, das Eichhörnchen hätte etwas mit einem Horn zu tun – sprachgeschichtlich natürlich, denn wir wissen, dass das Eichhörnchen ganz offensichtlich kein Horn hat. Der sprachgeschichtliche Ur-Ur-Ur-…-Großvater (oder die Ur-Ur-Ur-…-Großmutter) des Eichhörnchens ist der oder das *Sternchen (Asterisk); bezeichnet eine Form, die sprachgeschichtlich nicht schriftlich belegt, sondern nur erschlossen istaikurna aus dem Germanischen, was so viel bedeutete wie: ‚etwas, das sich heftig bewegt‘[12] (vgl. *aig- ‚sich heftig bewegen‘[13]). Es heißt also umgangssprachlich nicht umsonst "flink wie ein Eichhörnchen". Von einem Horn ist in der ursprünglichsten, rekonstruierten Form *aikurna also nichts zu entdecken. Das "Horn" im "Eich-Hörnchen" dichtete man dem flinken, kleinen Tier erst später an, als man eichorn bzw. dann Eichern nicht mehr verstand und sich seinen eigenen Reim auf den Ursprung des Wortes machte, indem man kurzerhand Horn hineininterpretierte.[14]

Im Deutschen ist übrigens der Ausdruck Eichhorn bis ins 19. Jahrhundert allgemein gebräuchlich. Erst cirka Mitte des 19. Jahrhunderts war die Rückbildung auf die Verkleinerungsform Hörnchen, die es bereits seit dem 17. Jahrhundert gab, geläufig. Und noch viel später wurde das Hörnchen schließlich zum Begriff für eine ganze Gattungsfamilie aller eichhörnchenähnlichen Nager wie Baum-, Erd- oder Flughörnchen[15]. Dabei gibt es den Ausdruck Eichhörnchen so in keinem einzigen Tiroler Dialekt, sehr wohl aber in anderen Verkleinerungsformen wie beim Eichhörnlein und dem Eichernle.

Karte/Kartentext: Yvonne Leiter/Yvonne Kathrein

Literatur
  1. [KühebacherKühebacher, Egon (1962): Zur Lautgeographie von Tirol. Aus den Vorarbeiten zu einem Tiroler Sprachatlas. In: Zeitschrift für Mundartforschung 29/2, 150 – 168., S. 166 und Kranzmayer³Kranzmayer, Eberhard (1956): Historische Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraums. Graz/Wien et al.: Böhlau., S. 60 § 20g1]
  2. [HornungHornung, Maria (1964): Mundartkunde Osttirols. Eine dialektgeographische Darstellung mit volkskundlichen Einblicken in die altbäuerliche Lebenswelt. Mit Laut- und wortkundlichen Karten (= Studien zur österreichisch-bairischen Dialektkunde 3). Graz, Wien et al.: Böhlau., S. 72, § 21c1, S. 76, § 22c1 und Kühebacher, S. 167]
  3. [Hornung, S. 131f, § 38b]
  4. [Hornung, S. 126, § 36c1, S. 101, § 30c3; S. 108f, § 33c1; Karte 13 und Kühebacher, Karte 12]
  5. [WBÖÖAW/BAW (1970–): Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich. Wien et al.: Verlag der Österreichischen Wissenschaften. 5, 1406]
  6. [Leitner/Haider/RiedmannLeitner, Walter/Haider, Peter W./Riedmann, Josef (1990): Geschichte des Landes Tirol. Bd. 1. Von den Anfängen bis 1490. 2., überarb. Aufl. Bozen: Athesia/Innsbruck-Wien: Tyrolia., 147]
  7. [WBÖ, S. 1406]
  8. [WBÖ, S. 1406]
  9. [WBÖ, S. 1407]
  10. [PfeiferPfeifer, Wolfgang (2005): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Ungekürzte, durchges. Ausg.; 8. Aufl. München: Dt. Taschenbuch-Verl., S. 264]
  11. [DWBGrimm, Jacob/Grimm, Wilhelm (1854–1961): Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16. Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig: S. Hirzel., Bd 3, Sp. 81]
  12. [KlugeKluge, Friedrich (2002): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Kluge. Bearb. von Elmar Seebold. 24., durchges. und erw. Aufl. Berlin/New York: de Gruyter., S. 230]
  13. [WBÖ, S. 1407]
  14. [DWB, Bd. 3, Sp. 81]
  15. [Pfeifer, S. 264 und Kluge, S. 230]
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